Fassungslos liegen wir in unseren Betten in einem billigen Motel. Nachdenklich verarbeiten wir das, was wir in den letzten Tagen gesehen haben.Ungeteerte Buckelpisten als Hauptverkehrsadern, erdrückende Menschentrauben bei jedem Halt, Plastiktüten-Plantagen so weit das Auge reicht – und unglaubliche Gastfreundschaft. Eine Reise in ein Entwicklungsland, mitten in Europa. Willkommen in Albanien!
Doch bevor sich die Straßen mit Eselskarren, uralten Benz-Karossen und Drahteseln (die diesen Namen auch wirklich verdient haben) fuellen, durchqueren wir die letzten Küstenkilometer in dem, was uns nun wie die Zivilisation vorkommt. An der kroatischen Adriaküste erholen wir uns an einem sonnigen Ruhetag von 5 harten Radtagen, bevor es weiter geht. Schweren Herzens steigen wir auf einem Campingplatz ab und bezahlen damit nach 4 Wochen erstmals fuer eine Uebernachtung.
Die Straße nach Dubrovnik schlängelt sich in stetigem auf und ab durch Buchten. Kräftiger Gegenwind macht das einzige Flachstück in der Nereteva-Ebene zu einer wahren Plackerei.
Dubrovnik gehört zu Kroatien, die Provinz ist jedoch durch einen schmalen bosnischen Streifen der bis ans Meer reicht vom restlichen Land abgetrennt. Diese 5 km Küste hat Bosnien-Herzegowina auch effektiv genutzt und mit Ufo- und anderen abartigen Hotelbauten zugestellt. Die Bora, der berühmt-berüchtigte Fallwind wächst sich zu einem kleinen Sturm aus, als wir schließlich die Brücke nach Dubrovnik überqueren. Fahren geht hier gar nicht, und selbst schiebend werden wir in beachtlicher Schräglage fast vom Viadukt gefegt. Da sind wir froh als uns die mächtigen mittelalterlichen Stadtmauern Dubrovniks uns später der Irish-Pub in ihren Windschatten nehmen…
Dubrovnik war, bevor es zu Kroatien gehörte, jahrhundertelang Hauptstadt der gleichnamigen Republik. Der Handel blühte, und durch geschickte Diplomatie konnte Dubrovnik jeden Krieg vermeiden – bis im Kroatienkrieg 1992 Granaten auf die Stadt fielen. Trotzdem ist die Altstadt sehr gut erhalten.[/caption]
In besagtem Irish-Pub lernen wir 4 Engländer kennen, die sich bei dem Wort „Charity“ prompt dazu entscheiden ein paar Pfund abzunehmen. Danke fuer die Spende an Ghandi-Care! Sie laden uns auch in ihr Ferienappartment in Montenegro ein, dass wir dann spätabends schon im Dunkeln erreichen. Ein geselliger Abend mit englischem Humor und reichlich Bier steht uns bevor. Das Panorama auf die Bucht von Hercog Novi ist genauso wie die Oberarme der Briten nicht von schlechten Eltern.
Beim Abheben der lokalen Währung wundern wir uns, dass der Automat nur Euros ausspucken will… Auf Nachfrage erfahren wir, dass das Land früher die D-Mark als Währung benutzt hat, und dann mit uns auf den Euro umgestiegen ist. Sachen gibt’s… Seit der Löslösung von Serbien steuert Montenegro ziemlich direkt auf eine Mitgliedschaft in der EU hin und wird wohl auch in den nächsten Jahren aufgenommen (Kroatien wird übrigens 2013 Mitglied).
Die Küste Montenegros ist wunderschön, zur Altstadt von Kotor zieht sich eine Bucht, die auch als der südlichste Fjord Europas bezeichnet wird. Tatsächlich verströmen dis steilen, dunklen Hänge eher skandinavisches als mediterranes Flair. Warm ist’s trotzdem, dank vorbildlich strahlender Frühlingssonne.
Nach Budva und Bar heisst es Abschied nehmen von der liebgewonnenen Mittelmeerküste. Die „alte Straße“ nach Albanien entpuppt sich zunächst als hervorragend asphaltierter Panoramaradweg und wird dann schmaler, und schmaler… und ungeteerter…sind wir wirklich noch auf dem richtigen Weg, soll hier eine Grenze kommen? Doch albanische Kennzeichen an den Autos weisen uns denn Weg: hier geht’s tatsächlich lang.
Welcome to Albania! Nicht nur Schilder und Graffitis heißen uns willkommen, ab dem Moment des Grenzübertritts grüßt uns jeder, zahnlose Greise die gemächlich auf schrottreifen Klapperrädern daherrollen, hupende Kleinbusfahrer und am Wegesrand abklatschende Kinder, einfach alle die sich auf der Straße befinden. Und das scheint in Albanien ein relativ großer Anteil an der Bevölkerung zu sein…
Armut schreit uns aus allen Ecken entgegen. Albanien hat sich in den 40 Jahren Diktatur unter Enver Hoxha von allen anderen Ländern isoliert, erst Jugoslawien, dann die Sowjetunion und China waren Hoxha zu imperialistisch, sodass er jede Zusammenarbeit abbrach. Und auch nach der Wende konnte sich keine funktionierende Demokratie in dem Balkanstaat entwickeln. 1997 kam es zu monatelangen Plünderungen und Zerstörungen, der Staat brach vollkommen zusammen. Albanien ist ein Entwicklungsland, mitten in Europa, laut Tacho ziemlich genau 1792 km vor unserer Haustür.
Voller Beklommenheit machen wir uns auf die Suche nach einem Schlafplatz. Sollen wir einfach mitten auf einem Feld unser Zelt aufschlagen? Der flache Küstenstreifen ist dicht besiedelt, und so entschließen wir uns bei einem Bauernhaus nach einem Campingplatz zu fragen. Nach kurzen, sprachbedingten Anlaufschwierigkeiten zeigt sich Prang, der Hausherr begeistert von der Idee 2 Deutsche (Beckenbauer, ole!) in seinem Garten unterzubringen. Wir werden zur Attraktion, aus den umliegenden Häusern eilen neugierige Nachbarn herbei um die seltenen Gäste zu beschnuppern. Bei Kaffee und Raki spielen wir zusammen Domino und werden dann mit selbst hergestelltem Essen geradezu gemästet. Ein nächtliches Photoshooting begeistert Jung und Alt.
Hartnäckig lehnen wir aber das Angebot, im Wohnzimmer zu schlafen ab – unser Zelt als Rückzugsraum ist uns an diesem Abend sehr willkommen. Die Nacht ist allerdings unruhig, pünktlich um 2.00 Uhr kräht der Han das erste Mal 2 Meter neben unserem Zelt…
Mit auf den Weg bekommen wir Proviant für 2 Tage, unter anderem lässt Prang es sich nicht nehmen 2 Kilo Lauch auf unseren Gepäckträger zu binden. Wieder einmal scheint Gastfreundschaft umgekehrt proportional mit dem Wohlstand zusammenzuhängen. Unsere Gastgeber sind arm, Violetta und Benni sind arbeitslos, im Wohnzimmer liegen Teppiche auf der blanken Erde, als Klo dient eine Bretterbude über einem stinkenden Loch.
Dann geht’s auf in höhere Gefilde. Verwundert freuen wir uns über den perfekten Asphalt auf dem Weg nach Burrel – wieder so ein 5 Sterne-Radweg?
Doch nach einer Kurve wandelt sich die babypopoglatte Asphaltdecke abrupt in eine ungeteerte Buckelpiste. So geht es nun weiter bis zur mazedonischen Grenze, perfekte Straßen wechseln sich ständig mit schlaglochübersähten.
Auf diesen Huppelpisten scheint sich, neben unseren Fahrrädern, eine weitere Spezies besonders gut fortbewegen zu können: Mercedes-Benz-Boliden Baujahr 1990 und älter. Fast der gesamte Fahrzeugbestand Albaniens scheint aus diesen robusten Limousinen zu bestehen!
Entlang des Wegesrands begleitet uns vor allem eines: Müll. Felder aus bunten Plastiktüten, mal mehr, mal weniger, erstrecken sich entlang des kompletten Weges durch Albanien. Das Land ist in Europa als der größte Umweltverschmutzer. Und noch eine Kuriosität gibt es im kompletten Land zu sehen:
Diese Bunker stehen einfach überall. Der Grund: Albaniens zunehmend paranoider Diktator Hoxha sah sich von Feinden umzingelt. Die Lösung: Baue 750.000 Bunker (Das ist einer für jeweils 4 Albaner!) über das gesamte Land verteilt für einen Partisanenkrieg. Dazu wurde extra eine Betonindustrie aufgebaut und teurer Spezialstahl aus dem Ausland importiert.
Nach dem überfahren des 850 Meter hohen Passes rollen wir Mazedonien entgegen. Nur 2 Tage radelten wir durch Albanien, aber diese haben sich in unsere Köpfe eingebrannt.
Wir liegen im mazedonischen Debar, der Regen prasselt auf das Blechdach des Motels. Diesen Ruhetag haben wir uns wirklich verdient.
Hey Simons,
toller Eintrag! Ich bin begeistert!
Grüße aus der Hussenstraße…
Lieber Simon, Lieber Giro,
Frau Arnold und ich haben uns wirklich seeehr über eure Karte aus Kroatien gefreut. Sie ist hin und weg von euch Abenteurern 🙂
Wir wünschen euch weiterhin viel Glück, eine tolle Reise, Gesundheit und viel Freude!! Passt auf euch auf!
Elisa
Thnx für den Post 😉 Eure Infos und die Bilder sind klasse!! Würde gerne einen Link von Eurem Blog auf meine HP machen wenn das ok ist. Vielleicht hilft das dem Sponsoring.
Einfach ein Genuss es zu lesen. Gute Ablenkung von meiner Hausarbeit und Vorgeschmack auf das was noch kommen mag. Haut rein!
Frohe Ostern euch beiden! Danke für eure tollen Berichte, ich bin ein großer Fan eurer Seite und warte fast täglich auf neue Beiträge.
Simon, gerade ist Kurs. Ich denke an tollen Kurse mit dir. Hoffentlich bald wieder – nächstes Jahr vielleicht? Das Wetter scheint bis jetzt auch recht gut zu sein, zumindest hier in Karlsruhe 🙂
Viele liebe Grüße,
Mari
Hei,ihr! 🙂
Ich finde es echt toll von euch,dass ihr euch das wagt,das macht nicht jeder! 😉
Liebe Grüße,
Alina
Was ihr macht ist voll spitze.
Macht weiter so!!!
Was ihr macht ist voll mutig!!!
GIEBT NICHT AUF!!!!!!
Grüße von Anna und Marie
😀 😀 😀 😀 😀 🙂 🙂 🙂 🙂 😀 😀 😀 macht weiter so !!!