Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – oder der gnadenlose Kampf gegen Kälte, Witterung und den eigenen Körper

Nach 5 Tagen und den ersten rund 530km sind wir in Berchtesgaden angekommen. Mit den letzten Sonnenstrahlen rollen wir in das überschaubare Städtchen ein, die 2.700m hohe Watzmann-Mittelspitze leuchtet im Hintergrund in den letzten Sonnenstrahlen. Es wird knackig kalt als wir unsere Reiseräder den letzten Anstieg zur Übernachtungsmöglichkeit emporquälen, ein warmes Bett und eine heiße Dusche warten auf uns. Ein Blick zurück:

Es ist Freitag morgen, 8:10 Uhr. An der Schattenmühle, dem geographischen Mittelpunkt zwischen Löffingen und Bonndorf,  treffen wir uns zum inoffiziellen Start, es ist knackig kalt aber der blaue Himmel verspricht einen sonnigen Tag. Mit leicht flauem Magen, großer Vorfreude und noch leicht ungelenken Tritten kurbeln wir uns die noch schattige Wutachschlucht empor nach Bonndorf.

Früh morgens auf dem Weg in die Schattenmühle

Früh morgens auf dem Weg in die Schattenmühle

Oben angekommen wartet auf dem Schulhof eine beeindruckende Verabschiedung auf uns. Wir freuen uns, wie viele Freunde, Bekannte und unbekannte Unterstützer den Weg zu unserer Verabschiedung gefunden haben. Im Trubel schaffen wir es mit Müh und Not unseren Liebsten Adieu zu sagen, ein paar Fragen der Presse zu beantworten und am Ende geht alles ganz schnell. Mit dem offiziellen Startpfiff rollen wir vom Schulhof hinaus in die Morgensonne – und hinein in unser kleines Abenteuer (Zeitungsartikel Badischen Zeitung und Südkuriers).

Rast in Stein am Rhein

Rast in Stein am Rhein

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne und so rollen in den ersten zwei Tagen die Räder wie von Geisterhand. Von Bonndorf geht es im glänzenden Sonnenschein über Stein am Rhein nach Konstanz, wo Simon noch vor wenigen Tagen in der Unibibliothek über Büchern gebrütet hatte. Früh morgens gibt es am Hafen einen zweiten Abschied mit lieben Freunden, der uns Kraft für die weitere Radelei den Bodensee entlang hinein ins bergige Allgäu gibt. Über ein Internetnetzwerk für Reiseradlern haben wir uns Übernachtungsmöglichkeiten für die erste Teiletappe organisiert. Bei Manfred und Caro in Immenstadt  werden wir wie Familienmitglieder aufgenommen, mit einem heißen Abendessen und deftigen Frühstück versorgt. Es tut gut nach einem harten Tag im Sattel zumindest Abends einen geschützten Unterschlupf zu finden, wo man Kräfte sammeln kann.

Abschied von der Konstanzer Truppe vor der Imperia am Hafen

Abschied von der Konstanzer Truppe vor der Imperia am Hafen

Denn zunehmend wird das Wetter schlechter, der kalte Wind macht das Radeln zu einer kleinen Tortur. Montagmorgen krabbeln wir aus unseren Schlafsäcken, die wir in einem Heustock in einem kleinen Nest in der Nähe von Murnau in Oberbayern ausgebreitet hatten. Drinnen duftet es nach Heu, Milch und Stall, draußen pfeift ein eisiger Wind, Schnee fällt dicht vom Himmel und das Tageslicht lässt sich kaum blicken. Wir nehmen es mit Humor und versuchen den Kampf gegen die Naturgewalten als sportlichen Herausforderung zu sehen. Während der eisigen Fahrt werden kleine Bäckereien mit heißem Kaffee zu Leuchttürmen der Zivilisation, kleine Stehtische vor dem Verkaufstresen zu Inseln der Gemütlichkeit. Dazwischen versuchen wir mit Windschattenfahren und Zähne zusammenbeißen den widrigen Umständen zu trotzen. Mehr und mehr zeigen sich auch die ersten Überlastungserscheinungen mit Schmerzen in den Knien und an den Achillessehnen, das Radeln fordert seinen ersten Tribut.

Erste Berge im Allgäu

Erste Berge im Allgäu

Unsere Gastgeber in Oberbayern: Nächtigen im Heustock

Unsere Gastgeber in Oberbayern: Nächtigen im Heustock

Abends kommen wir bei Michi in Bad Aiblingen unter. Bei feinem asiatischen Essen tauschen wir uns über Reiseerfahrungen, Weltbilder und Radtechnisches aus. Michis Erzählungen seiner 17 monatigen Radreise durch Europa und Marokko bringen uns dabei zum Nachdenken und Umdenken – wir wollen uns für die nächsten Monate mehr Zeit für Ruhepausen und Regeneration nehmen, mehr auf uns selbst und unseren Körper achten. Unser momentaner Tagesschnitt von rund 110km mit einem Reiserad von ca. 50kg kommt uns dabei zunehmend ungesund vor.

Unser Gastgeber Michi mit seinem Reiserad

Unser Gastgeber Michi mit seinem Reiserad

Zwischen Inzell und Bad Reichenhall

Zwischen Inzell und Bad Reichenhall

Verdiente Ankunft in Berchtesgaden mit den letzten Sonnenstrahlen

Verdiente Ankunft in Berchtesgaden mit den letzten Sonnenstrahlen

Schließlich erreichen wir nach einem langen und kalten Tag Berchtesgaden. Giros Schmerzen an den Achillessehnen haben sich inzwischen zu einem handfesten Problem ausgewachsen bzw angeschwollen. Ein Ruhetag ist dringend angesagt und eine Wohngemeinschaft von SchülerInnen der örtlichen Holzbildhauereischule entwickelt sich für uns wie zu einem zweiten Zuhause. In der großen WG in einem alten herrschaftlichen Haus mit Kapelle hoch über Berchtesgaden tauchen wir erneut in eine andere Welt voller Holz, Kunst und alternativem Lebensstil ein. Das abendliche gemeinsame Essen wird nicht gekauft, stattdessen wird containert. In den Tonnen der lokalen Supermärkte finden sich Unmengen an qualitativ einwandfreien Lebensmitteln, sauber und hygienisch verpackt, die wegen kleine Mängel oder ablaufendem Mindesthaltbarkeitsdatum entsorgt werden. Ohne Probleme lässt sich so eine siebenköpfige WG mit nur geringen zusätzlichen Einkäufen versorgen, bei den „Gelagen“ füllen wir unsere leeren Energiespeicher wieder auf.

Blick über Berchtesgaden am Ruhetag

Blick über Berchtesgaden am Ruhetag

Giro nutzt die Ruhezeit auch, um seine Achillessehnenbeschwerden einmal fachmännisch bei einem Arzt untersuchen zu lassen. Der letzte Radeltag hatte die Beschwerden nochmals verstärkt und auch eine gewissenhafte Überprüfung der Sitzposition hatte keine Abhilfe schaffen können. Nun heißt es auch Daumen drücken, dass die Beschwerden nicht schwerwiegend sind, schnell abklingen und die Weiterfahrt morgen wirklich gelingen kann…. Weiter gehen soll es über Salzburg nach Radstadt über den Tauernpass nach Spital an der Drau und schließlich nach Villach. Wir sind frohen Mutes, hoffen das Beste und freuen uns auf ein paar Höhenmeter und forderndes Radeln.

8 Kommentare

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8 Antworten zu “Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne – oder der gnadenlose Kampf gegen Kälte, Witterung und den eigenen Körper

  1. Gute Weiterfahrt & vor allem auch „Gute Besserung“ für Giros Achillessehnen! Ich hoffe für Euch, dass das Wetter Euch in den nächsten Tagen etwas freundlicher wird …

  2. Andi

    ähm eine Frage…Habt Ihr Euch das gleiche Fahrrad gekauft? Das vermeidet Streit, gelle 😉
    Ich wünsch Euch ne gute Fahrt! Passt auf Euch auf und schickt ne Karte!
    Liebe Grüße Andi

  3. Laura-Liis

    Schöne Weiterfahrt!! Espero que te mejores, Simon!
    Besos!
    Laura

  4. Wowodaheim

    Euch beiden weiterhin alles Gute und unseren Respekt habts ihr ja schon. Immer schön die Ferse kühlen.
    Grüße aus 16+Grad-Freiburg
    Getti Wowo und Tante Corinna
    Wir denken an euch!

  5. Vanessa

    Wünsch euch ganz viel Spaß und passt auf euch auf!
    Hört sich aber alles total super spannend an und macht mich doch sofort neidisch 🙂

  6. Markus Bohler

    Simon,

    Anbei ein Artikle ueber Achillen probleme und Cycling..

    http://www.livestrong.com/article/381199-pain-in-the-achilles-tendon-from-cycling/

    Markus

  7. Nina & Tamara

    Hallo Simon und Simon wir wünschen euch viel Spaß und noch eine Gute Fahrt !!!!!

  8. sabri

    sevgili SİMON.Lambanızı burada unutmuşsunuz.İstediğiniz yere gönderelim.Sevgiler.Bolaman polis.

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